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Aus: Pforzheimer Zeitung
Erstellt am: 20.09.2004
Islam-Unterricht lässt weiter auf sich warten
STUTTGART.
Kultusministerin Annette Schavan (CDU) hat jetzt zu Geduld bei der Einführung
des Islamischen Religionsunterrichts an den baden-württembergischen
Grundschulen
gemahnt.
"Wir hatten zu wenig Einblick, wie tief greifend die
innerislamischen Debatten sind, und sind an das Thema zum Teil zu unbeschwert
rangegangen", sagte Schavan in einem Gespräch mit unserer Nachrichtenagentur
dpa. "Ich habe in vier Jahren gelernt, dass man da mit unseren Zeithorizonten
und dem Denken in Legislaturperioden nicht weiterkommt." Ultimaten an die mit
der Vorbereitung des Unterrichts betraute Steuerungsgruppe wolle sie nicht
mehr setzen.
Zwar müssten am Anfang Modellprojekte stehen, doch damit
sei das Problem nicht gelöst. Ihr Ziel sei ein bedarfsorientierter Unterricht
im ganzen Land. Sie lehnte es ab, zunächst wie in Nordrhein-Westfalen oder
Bayern Islamkunde statt des Unterrichts mit Bekenntnischarakter einzuführen.
"Das Grundgesetz sieht eindeutig die Verantwortung der Religionsgemeinschaften
vor - nicht eine Initiative des Staates", erläuterte sie. "Ich will keine
Schnellschüsse, deren Ergebnisse möglicherweise von den Eltern nicht
akzeptiert werden."
Seit April 2000 bereiten vier islamische Religionsgruppen,
zusammengefasst in einer von einer Ministeriumsvertreterin, einem
Erziehungswissenschaftler und einem Religionspädagogen betreuten
Steuerungsgruppe, den islamischen Religionsunterricht vor. Im Südwesten leben
mehr als 70 000 Schüler islamischen Glaubens, davon 60 000 Grundschüler. Nach
der im wesentlichen positiven Bewertung der Lehrpläne der Steuerungsgruppe
durch einen Gutachter sieht der evangelische Theologe Peter Müller von der
Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe keine Hürden mehr für die Einführung des
Religionsunterrichts. Der Moderator in der Steuerungsgruppe plädiert für
Modellprojekte. Wann es soweit sein könnte, will er nicht voraussagen: "Ich
habe schon so viele Prognosen abgegeben, die alle nicht zutrafen."
Die Schulexpertin der Grünen-Fraktion, Renate Rastätter,
fordert rasche Zwischenschritte auf dem Weg zum Bekenntnisunterricht als
"integrationspolitisches Signal". Dabei könne auch mit Islamkunde begonnen
werden. Dass es zu diesem Schuljahr noch nicht klappte, führt Rastätter auch
auf politische Konstellationen zurück: Das Thema sei in der CDU strittig. Vor
so wichtigen Terminen wie der Kür des CDU-Spitzenkandidaten im Februar 2005
und der Landtagswahl 2006 wolle Schavan dieses Konfliktthema womöglich nicht
anfassen. Die Ministerin gilt als mögliche Nachfolgerin von Regierungschef
Erwin Teufel (CDU). "Zudem wäre die Einführung von Islamkunde Wasser auf die
Mühlen derjenigen, die ein neutrales Fach wie Ethikunterricht fordern."
Auch die Bildungsexpertin der SPD im Landtag, Carla
Bregenzer, wendet sich gegen die "puristische Position" Schavans und plädiert
für rasche Modellvorhaben in Stuttgart, Mannheim oder Pforzheim. "Wir müssen
die Kinder wegbringen von den Koranschulen in den Moscheen, von denen niemand
weiß, was da gelehrt wird." Die aus ihrer Sicht zögerliche Handhabung des
Themas schade der Integration.
Bei den betroffenen
Religionsgemeinschaften, dem Institut für Islamische Erziehung, dem Rat für
freie Glaubensausübung, dem Zentralrat der Muslime im Land und der
Religionsgemeinschaft des Islams, ist nach Jahren der Zusammenarbeit
Ernüchterung eingetreten. Vor einigen Wochen stellten die Gruppen fest, dass
eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei.
Ali Demir von der Religionsgemeinschaft wirft den ehemaligen Kollegen
Fundamentalismus vor. "Unser Ziel ist aber die Aufklärung der muslimischen
Kinder, die Unterbindung von Extremismus und Manipulation in den Moscheen -
nicht die Polarisation", sagte
Demir. Deshalb müsse der Unterricht in der Regie des
Kultusministeriums bleiben. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Riad
Ghalaini, ist enttäuscht, dass trotz Versprechungen auch 2004/05 keine
Modellschule ausgewählt wurde. Ermutigend sei der Rücklauf von
Bereitschaftserklärungen der Eltern gewesen, die ihre Kinder in den
islamischen Religionsunterricht schicken wollen.
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Artikel wurde erstellt von:
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Jutta Giertz
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