Religionsgemeinschaft des Islam
Landesverband Baden-Württemberg e.V.

 

Unsere Themen: Islam - Interreligiöser Dialog - Projekte - Informationen über Muslime in Deutschland/Baden-Württemberg

 
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Der Koran und sein Verständnis

Jedem ist der Koran zugänglich, jeder kann darin lesen und Nutzen daraus ziehen. Doch der Text erschließt sich oft nicht so einfach. ...

 

1. Einleitung

Jedem ist der Koran zugänglich, jeder kann darin lesen und Nutzen daraus ziehen. Doch der Text erschließt sich oft nicht so einfach. Für ein besseres, sachliches und objektives Verständnis bedarf es bei der Herangehensweise an den Koran der Beachtung einiger Punkte.

Manche Koranverse sind mehrdeutig oder die Bedeutung ist nicht auf Anhieb klar. Zu diesen Stellen im Koran haben Islamgelehrte von Anfang an Hinweise und differenzierte Informationen allgemein und unter dem Aspekt und den Fragestellungen ihrer Zeit zusammengetragen.

Hierbei ist auch zu erwähnen, dass es unterschiedliche Bewertungen unter den sunnitischen und schiitischen Rechtschulen gibt.

Um sich ein gesundes Urteil bilden zu können und im Aneignen von sachgerechtem Wissen muss man die Kriterien kennen, die in der Koranexegese gelten.

Die Aufklärung über den Umgang mit gewissen Koranversen ist auch der Weg, der die Demagogie über diese Verse und den Missbrauch verhindert.

In der Betrachtung der religiösen Dinge hat jede Zeit ihre Schwerpunkte. Die Antworten auf die Fragen der Zeit wurden meistens von Islamdenkern gegeben, die mit ihrem umfassenden Wissen und scharfem Verstand Anerkennung in der islamischen Welt genossen. Folglich spielen sie in der zeitgemäßen Interpretation des Korans eine Schlüsselrolle.

Die religiösen Grundlagen gelten zwar zeitlos, durch die Wissenserweiterung der Menschheit gewinnen jedoch manche Aussagen eine andere, vielschichtige Bedeutung.

Sozial-gesellschaftliche Missstände und Machtinteressen über Religion auszutragen, hat bedauerlicherweise Tradition.  So spielten Koranverse auf den Speerspitzen auch eine Rolle im ersten innerislamischen Krieg zwischen den Muslimen Muawiye und Kalif Ali.  

 

2. Kriterien der Herangehensweise und ein Wort zu Koranübersetzungen

Wie man an den Koran herangeht ist individuell und verschieden. Für einen Muslim in einem islamischen Umfeld und im alltäglichen Umgang ist der Koran ein Gebetsbuch, eine beständige Aufforderung zum Guten, zu Güte, zu Barmherzigkeit, zu Gerechtigkeit und Gebet.

Hierzulande herrscht vielfach, verstärkt durch die Vorfälle in den islamischen Regionen mit terroristischem  Hintergrund, ein ganz anderes Islambild vor und eine ganz andere Koranauffassung, als einer Religion, die “drohend, strafend, kriegerisch, intolerant und unterwerfend” sei. Zu diesem Bild werden oft Stellen aus dem Koran zitiert, die in dieser Form vielen Muslimen unbekannt sind und die sie so nicht akzeptieren.

Es liegt auf der Hand, dass aufgrund dieser Unterstellungen Verschwörungstheorien fruchtbaren Boden finden. Dass dabei viele Muslime selbst zu diesem schlechten Image beitragen, ist ihnen nicht bewusst. Es bedarf der sorgfältigen Analyse dieser oft zitierten Koranstellen, worauf besonders die Muslime  achten sollten.

Wenn man sich eingehender mit den besagten Koranstellen beschäftigt, die verschiedensten Korankommentare und Erläuterungen dazu liest, stellt man fest, dass es über die tatsächliche Bedeutung keine Zweifel gibt, jedoch Koranübersetzungen keinesfalls genügen.

Zum Beispiel ist da dieser vielzitierte Koranvers 47, 4.

In der paretschen Übersetzungsversion lesen wir:

„Wenn ihr (auf einem Feldzug) mit den Ungläubigen zusammentrefft, dann haut (ihnen mit dem Schwert) auf den Nacken! Wenn ihr sie schließlich vollständig niedergekämpft habt, dann legt sie) in Fesseln, (um sie) später auf dem Gnadenweg oder gegen Lösegeld (freizugeben)! (Haut mit dem Schwert drein) bis der Krieg (euch) von seinen Lasten befreit (und vom Frieden abgelöst wird)!“

Oder Henning übersetzt wie folgt:

„Und wenn ihr die Ungläubigen trefft, dann herunter mit dem Haupt, bis ihr ein Gemetzel unter Ihnen angerichtet habt; dann schnürt die Bande. Und dann entweder Gnade hernach oder Loskauf, bis der Krieg seine Lasten niedergelegt hat.“

Diese Version enthält an und für sich schon einen Widerspruch in sich: zuerst Kopf herunter und dann die Wahl - entweder Gnade oder Loskauf!!

Was ist nun hier tatsächlich mit diesem Vers gemeint? Dieser Koranvers widerspricht auf den ersten Blick unzähligen Koranstellen und dem Grundsatz im Umgang und der Begegnung mit anderen, d.h. es relativiert sich von da her und gibt den objektiven Ansatz für eine richtige Übersetzung.

Der offensichtliche Sinn dieses Koranverses im heutigen Sprachgebrauch bedeutet in etwa:

„Wenn ihr euch im Krieg befindet, dann kämpft so lange, bis ihr eure Feinde besiegt habt, und nehmt sie gefangen und lasst sie entweder aus Gnade oder gegen Lösegeld frei. Handelt so - Gnade oder Loskauf - bis der Krieg beendet ist.”

Eine wortwörtliche Wiedergabe, eine wortwörtlichen Übertragung ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wegen der Verschiedenheit der Sprachen ist selbst eine wortwörtliche Übersetzung eines normalen Buches kaum durchführbar. In jeder Sprache gibt es Wörter, Redewendungen, Nuancen, für die eine andere Sprache keinen Gegenbegriff oder keine Ausdrucksmöglichkeit kennt.

Es ist in dem besagten Koranvers ein konkretes Ereignis angesprochen, zu dem der Vers offenbart wurde.

Die Reflektion auf die Zukunft bzw. für das Jetzt ist Auslegungssache.

In der Auslegung sind bestimmte immer gültige Regeln zu beachten, damit sich diese nicht in Spekulationen ergehen.

Die Auslegung muss in allen Dingen mit den immer geltenden, orts-, zeit-, gesellschaftsunabhängigen Grundsätzen

Friedenssuche,

Barmherzigkeit,

Gerechtigkeit

konform sein und muss mit Wissen, Logik und Verstand angegangen werden.

Alle Korankommentare und jegliche Exegese setzen bei Muhammed a.s.v. an, bei dem Bezugsereignis der Offenbarung unter Betrachtung (Kontext) aller Koranverse zum selben Thema, des weiteren wie Muhammed a.s.v. danach gehandelt hat, seine Interpretation und Erläuterung dazu und wie die Sahabin, die Lebensgefährten Muhammeds, die Sache verstanden und praktiziert haben.

In unserem vorliegenden Beispiel nun ist der Kriegszustand angesprochen, ein Ausnahme- und Extremfall, bei dem menschliche Grausamkeiten sich im Übermaß zeigen und sich steigern können. Obwohl es so ist, werden die Muslime in diesem Koranvers angehalten an Gnade und Barmherzigkeit zu denken und sie niemals außer acht zu lassen.

Übersetzungen geben kurzgefasst den offensichtlichen Sinn der Verse wieder, oft entsprechend dem Verständnis und dem Erfassungsvermögen des Übersetzers, aufgrund seines spezifischen Hintergrunds und Wissens oder seiner Methode und seines Stils.

Übereinstimmend sagen Islamgelehrte über Koranübersetzungen:

Das, was man Übersetzungen nennt, sind in Wirklichkeit stark zusammenfassende und unvollständige Erläuterungen. Zwischen ihnen und den wahren, lebensbringenden Versen, deren Bedeutungen mancherlei Verzweigungen neben dem sichtbaren Sinn umfassen, kann kein Vergleich bestehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Koranübersetzungen sind überaus hilfreich und nicht zu entbehren. Aber zum richtigen Verstehen mancher Verse sollte man Vergleichen, den Gesamtzusammenhang betrachten und weiterführende Bücher und Erläuterungen heranziehen. Des weiteren ist ganz entscheidend bei der Koranauslegung der Einklang mit Logik und Verstand und den immer geltenden Grundprinzipien.

Erster Interpret des Korans ist  Muhammed, dann folgen in der Autorität die Sahabin[1], dann diejenigen die auf die Sahabin folgten, die Taabin. Ein gewisser Spielraum wird von den Rechtsschulen ausgefüllt. Damit  sind auch die Prioritäten gegeben, wie sie für die Religion und die Koranauslegung gesetzt sind. Es gibt keine Beliebigkeit.

Es gibt zwei Arten von Koranauslegungen. Eine ist die, die den Text und die Bedeutungen seiner Wörter und Sätze erklären. Zu dieser Art gehören z. B. die von Elmalı und Ömer Nasuhi. Die andere Art erklärt die Glaubenswahrheiten des Korans mit starken Zeugnissen und beweist sie.

Beispielsweise Gott, der Eine, Einzige. Was bedeutet das? Welche Konsequenzen hätte es, wenn es nicht so wäre in Bezug auf uns, die Menschheit, die Einheit der Natur usw.?

Auferstehung, Wiederversammlung. Welche Beweise gibt es für dieses Versprechen Gottes?

Diese Fragen finden wir in der zweiten Art der Korankommentare beantwortet, wobei das Risale-i Nur von Said Nursi die stärkste und bedeutsamste dieser Art ist.    

 

3. Die Kriterien der Koranexegese wider der fundamentalistischen Demagogie

Oft werden Fundamentalisten, die Islamisten und Politisierer der Religion beschreiben als diejenigen, die den Koran wortwörtlich nehmen. Aber es ist ihre Willkür im Umgang mit von ihnen herausgepickten Koranversen, im Ignorieren und Relativieren anderer nicht in ihre Ideologie und Weltsicht passenden Stellen und Aussagen.

Dass die Terroristen, wie wir es heute erleben, das Ermorden von Geiseln, das Töten Unschuldiger, von Frauen und Kindern, mit Bezug auf diesen Koranvers 47, 4 rechtfertigen und begründen, ist eine solche Perversion, nicht zu ertragen.

Es gibt noch einige weitere Beispiele von aus dem Gesamtzusammenhang gerissener Koranverse, die maßgeblich für deren Ideologie und Perversion herhalten müssen, missbraucht und entehrt werden.

So wird vor allem der Vers 44 der Sure 5 „... Die nicht nach dem urteilen (herrschen), was Gott herabgesandt hat, das sind die Ungläubigen“, [2] von politisch orientierten Islamgruppen vielfach zitiert und gebraucht als Basis ihrer Ideologie und für ihren Kampf und ihre Ablehnung von Verfassungen, Gesetzen, Staats- und Regierungsformen, Kapitalsystemen etc., die ihrer Auffassung nach außerhalb dieses Verses stehen.

Der erste Interpret dieses Verses Ibni Abas, Sahabin und Cousin Muhammeds a.s.,  resümiert:

»Der Vers ist so zu verstehen im Sinne von ,Diejenigen, die nicht anerkennen, die nicht glauben, was Gott herabgesandt hat, das sind die Nichtgläubigen.’«

Nach Ikrime[3]  ist diese Stelle ebenso in diesen Sinne zu deuten.  Demgemäß stellt Fahreddin Razi  nach einem Vergleich diese Deutung in seinem großen Korankommentar als die  Vortrefflichste heraus. Damit haben sunnitische Islamgelehrte den eindeutigen Sinn definiert.

Zeitgenössische Islamdenker wie Said Nursi erinnern  heute daran[4], wohingegen die Vordenker des politischen Islamismus wie Sajjid Qutb, Hasan al Banna  oder Maududi hier das rechte Maß im Verständnis dieses Verses, das sich in der Erläuterung der Sahabin zeigt, verlassen.

Zur Veranschaulichung Sayyid Qutb kommentiert die Stelle wie folgt:[5]

„Wer nach einer anderen Grundlage als der göttlichen Offenbarung urteilt, der spricht sozusagen Gott Seine Göttlichkeit ab, denn zur Göttlichkeit gehört das Vorrecht der richterlichen Gesetzgebung. Er lehnt somit zum einen Allahs Göttlichkeit und Rechte ab, und zum anderen schreibt er sich selbst diese zu. Was wäre Unglaube, wenn nicht dieses?”

Welcher Irrweg tut sich auf, wenn nicht zum rechten Verständnis das rechte Maß grundgelegt wird. Sinn und Ziel werden in falsche Bahnen gelenkt.[6]

 

 

 

Lob sei Gott, der das Buch auf seinen Ergebenen herabgesandt und daran nichts Krummes gemacht hat.

Sure 18, 1 

 

Und wir haben den Koran leicht zu bedenken gemacht. Aber gibt es denn jemanden, der es bedenkt?

Sure 54, 40

 

Und ihm ging das Buch des Mose als Vorbild und Barmherzigkeit voraus. Und dies ist ein Buch zur Bestätigung in arabischer Sprache, um diejenigen, die Unrecht tun zu warnen, und als Botschaft für die Rechtschaffenen.

Sure 46, 12

 

 

 

 

 
 
 
Hand in Hand
für eine
gerechte
freie
demokratische 
menschliche
saubere
barmherzige
friedliche
sichere
tolerante
Welt
 
 

 

 

 

 

 

       

4. Die Ausgrenzung der Anderen?

4.1. »Die an Gott glauben werden nicht traurig sein ...«

Die Angehörigen einer jeden Religion haben das Recht sich als einzig im wahren Glauben zu sehen. Wenn sie jedoch anderen ihren Glauben absprechen, sie als Ungläubige, als Anwärter der Hölle und als nichts wert diskreditieren, oder als Widersacher darstellen, ist das für eine offene Gesellschaft inakzeptabel. 

Der Umgang mit der Klassifizierung „ungläubig“, ist eine wesentliche Sache, die heute mehr den je der offenen Klärung und vehementen Richtigstellung bedarf.

Die Haltung  vieler Muslime auf Andersgläubige und Andersdenkende als Ungläubige herabzusehen, was Ursache ist für Feindbilder und Gewaltbereitschaft und deren Rechtfertigung, für Konfrontations- und Konfliktpotentiale und vielem mehr, ist mit dem Koran nicht zu rechtfertigen.

Gleich zweimal steht im Koran (Sure 2, 62 und Sure 5,69)

„Diejenigen, die glauben, die dem Judentum angehören und die Christen und die Sabier (Bez. für Leute, die einer anderen Religion angehören), die an Gott und den Jüngsten Tag glauben und tun, was recht ist, denen steht bei ihrem Herrn ihr Lohn zu und sie haben nichts zu befürchten und sie werden nicht traurig sein.“ (Sure 2, 62)

 „Diejenigen, die glauben, und diejenigen, die Juden sind, und die Sabier, und die Christen, all die, die an Gott und an den jüngsten Tag glauben und Gutes tun, haben nichts zu befürchten, und sie werden nicht traurig sein.“ (Sure 5, 69)

Über die, die gläubig sind und wer dazu gehört, sagt der Koran: 

„ ...die an Gott festhalten und gegenüber Gott aufrichtig in ihrer Religion sind. Jene zählen zu den Gläubigen. Und Gott wird den Gläubigen einen großartigen Lohn zukommen lassen. Warum sollte Gott euch peinigen, wenn ihr dankbar und gläubig seid? Und Gott zeigt sich erkenntlich und weiß Bescheid.“ (Sure 4,146-147)

Obwohl diese Verse, relativ klar und eindeutig sind und mit anderen Versen über Christen, Juden und dem Gläubigsein ein differenzierendes, harmonisches, anerkennendes Bild ergeben, an dem nicht zu rütteln ist, wird von Exaltisten lapidar argumentiert, diese Aussagen beträfen die Gläubigen vor dem Islam.

Über die Folgeschlüsse, ob denn etwa der Koran wegen der Vergangenheit und nicht als Rechtleitung für die Zukunft offenbart wurde, machen sie sich wenig Gedanken, was wiederum auf ihre Beschränktheit hinweist.  

 

4.2. „Nehmt euch nicht die Christen und Juden

zu Freunden ...“ ?

Ein anderes Beispiel eines Koranverses, der sich nur im Kontext erschließt, und vielfach von Islamkritikern angeführt wurde und wird, ist der Vers 51 der Sure 5 „Nehmt euch nicht die Christen und Juden zu Freunden ...“ Dessen rechtes Verständnis ist äußerst relevant für den Aufbau und die Knüpfung vertrauensvoller Beziehungen.

Said Nursi erklärt:[7]

Ein Erlass erfordert eine einwandfreie Begründung und diese Beweisführung muss nicht nur definitiv sein, sondern es muss auch klar erkenntlich sein, auf was die Beweise hinweisen.

Da dies beim vorliegenden Vers 51 der Sure Al Maide nicht der Fall ist, bedarf es zum Verständnis des Verses einer Auslegung, die einige Andersinterpretationen zulässt. Das Verbot im Koran gilt nicht allgemein, sondern eingeschränkt. Wenn etwas eingeschränkt ist, kann man, je nach Notwendigkeit, seine Grenze bestimmen. Hierbei löst die Zeit diese Aufgabe auf die beste Art und Weise. Denn wenn die Zeit ihre Beweise offen legt, kann man ihr nicht widersprechen. Für jedes Jahrhundert hat ein Vers seinen Aspekt.

Wenn ein Urteil auf einer Ableitung beruht, dann zeigt die Ursache des Urteils die Quelle der Ableitung.

Dieses Verbot bezieht sich auf jüdische und christliche Gebote und Gebräuche, die sich mit dem Islam nicht decken.

Außerdem wird ein Mensch nicht wegen seiner Religionsangehörigkeit geliebt, sondern wegen seiner Liebe, seiner Mitmenschlichkeit, seinen Eigenschaften und Fähigkeiten.

Die Eigenschaften eines Moslems müssen nicht immer muslimisch sein und auch die Eigenschaften und Fähigkeiten eines Andersgläubigen brauchen nicht immer schlecht sein.

Infolgedessen, warum soll es nicht gut sein eine gute Eigenschaft und Fähigkeit zu loben und nachzuahmen.

Sicherlich würdest du, wenn du eine Frau von den Schriftbesitzern[8] hättest, sie lieben.

Die historischen Hintergründe zur Zeit der Offenbarung des Verses müssen berücksichtigt werden. Die Kontakte und Freundschaften in unserer Zeit liegen nicht im Bereich dieses Verses, es wäre aber durchaus möglich.

In jenem Zeitalter des Gesandten fand eine enorme Umwälzung statt. Die gesamte Aufmerksamkeit, das Denken, die Gefühle konzentrierten sich in die Religion. Alle Hinwendung und Abneigung ging von der Religion aus. Daher wies die Zuneigung für die Nichtmoslems auf einen eventuellen Verrat hin.

In der jetzigen Welt sind die Umwälzungen bemerkenswert zivilisationsbedingt und weltlich.

Die Gefühle und Gedanken der Menschen und der Intellektuellen werden vom Gesichtspunkt der durch Technik und Wissenschaft gestalteten Lebensweise und ihrer Weiterentwicklung beherrscht. Die Menschen haben in der Tat eine offenere Bindung und Haltung zu ihrer Religion.

Folglich, befreunden wir uns mit ihnen, um es in ihrem Fortschritt gleichzutun und um den Frieden und die Sicherheit, die für das Wohlergehen der Welt unabdingbar sind, zu bewahren.

Eine Freundschaft in dieser Art fällt in keiner Weise unter das koranische Verbot."

Heute stellt sich nicht mehr die Frage Freund oder Nichtfreund. Die Notwendigkeit des aufeinander Zugehens und einer Zusammenarbeit ist offensichtlich, insbesondere in unseren heutigen pluralen Gesellschaften.

Um gemeinsame Ziele zu erreichen, um sich für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen, für ein harmonisches Miteinander, ist das Knüpfen von Beziehungen und das Bilden von Freundschaften unabhängig von Religion und Lebensanschauung unentbehrlich.

 

4.3. Was heißt Islam? Was heißt Muslim sein?

 
Unter Islam versteht man einmal die Religion, die auf der Offenbarung des Korans beruht.
Und zum anderen gibt es die koranische Definition von Islam, die universal ist und alles vorhergehende einschließt.
Im Koran werden alle, die an einen Gott glauben als im Islam, als Muslime bezeichnet.

Ein paar Beispiele:

2, 112: ..., wer sich völlig Gott hingibt und dabei rechtschaffen ist, der hat seinen Lohn bei seinem Herrn. Diese haben nichts zu befürchten, und sie werden nicht traurig sein.

4, 125: Und wer hat eine schönere Religion als der, der sich Gott völlig hingibt und dabei rechtschaffen ist und der Glaubensrichtung Abrahams, als Anhänger des reinen Glaubens, folgt? Gott hat sich Abraham ja zum Vertrauten genommen.

65, 11: .... Wer an Gott glaubt und schöne Taten begeht, wird für die Ewigkeit ins Paradies aufgenommen.

2, 136: Oh Gläubige, sagt: Wir glauben an einen Gott, an die Offenbarungen an Abraham, Ismael, Isaak, Jakob, Mose, Jesu. Wir machen keinen Unterschied zwischen ihnen. Wir sind Muslime (Gottgläubige Ergebene).”

21, 92: Alle Gottesgesandten haben eine Religion gebracht. Und das ist diese Religion - der Islam, und ich bin euer Gott, also ergebt euch nur mir.

22, 78: Und setzt euch für Gott ein, wie der richtige Einsatz für Ihn sein soll. Er hat euch erwählt. Und Er hat euch in der Religion keine Bedrängnis auferlegt; so ist die Glaubensrichtung eures Vaters Abraham. Er hat euch Muslime genannt, früher und (nunmehr) in diesem (Buch), auf dass der Gesandte Zeuge über euch sei und ihr Zeugen über die Menschen seid.

Somit steht auch der Vers „Siehe, die Religion bei Gott ist der Islam.“ (3, 19) in einem ganz anderen Licht, als wenn diese Aussage isoliert und losgelöst von allem zitiert und verwendet wird.  

Die Positionen im Koran sind recht eindeutig, dass mit dem oben erwähnten Koranvers 3,19 sich die anderen Gläubigen vom Glauben nicht ausschließen lassen.

Das vorher Gesagte gilt auch für den Vers Al Imran (3) 85:

„Wer eine andere Religion als den Islam sucht, von dem wird es nicht angenommen werden. Und im Jenseits gehört er zu den Verlierern.“

An obigen Koranversen ist der Umfang des Islamseins erkenntlich. Wenn einer den Islam verlässt, schränkt er sich ein, schließt den einen oder anderen aus, d.h. er macht einen Rückschritt. Da die Glaubensentscheidung jedem selbst überlassen bleibt gemäß 18,29 „Wer will soll glauben – wer nicht will soll ablehnen“ und jeder für sich verantwortet, obliegt das Weitere allein dem Einen. 

 

Schlussresümee

Es dürfte deutlich geworden sein, dass man nicht einfach etwas herzitieren kann, so stünde das eben im Koran - sowohl die einen, die mit Unterstellungen dem Islam und den Muslimen gegenüber kommen als auch die Fundamentalisten, Demagogen und Hardliner, die in selbstgerechter Arroganz vielfach den Koran aushebeln. 

Wer das Prinzip des Islam verstanden hat, der braucht sich keine Sorgen machen, der andere könnte mit seinen Unterstellungen recht haben.

Jeder muss sich aber in jeder Hinsicht um objektives Wissen und eine gesunde Einstellung bemühen.  Die Muslime wissen mehrheitlich wenig um die eigene Religion und aufgrund ihrer tiefen Religiosität macht sie das anfällig für Fanatismus, der der Religion bzw. dem Glauben zuwider läuft. 

Die Dinge sind klar und deutlich, andererseits komplex. Wenn die Grundlagen nicht genau bekannt sind und Vergleichskriterien fehlen, sind Fehlinterpretationen nicht auszuschließen. Das Dilemma und die Misere, in der sich die heutigen Muslime befinden, sprechen hier Bände.

 
01.11.2004
RG des Islam LV BaWü
unter Einbezug früherer Veröffentlichungen (Neuer Horizont 1991, Evidenz 1996)


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Fußnoten, Quellenverweise:

[1] Aufgrund ihrer Authentizität, der Unmittelbarkeit, wie sie Muhammed a.s.s. erlebt haben und ihres hohen Einsatzes für den Glauben wegen, zählt der Personenkreis der Sahabin nach Muhammed a.s.s. zu den höchsten Autoritäten im Islam. Sie stehen über den Rechtsschulen.

[2] Das Bezugsereignis der Offenbarung ist, dass eine Gruppe Juden zu Muhammed kommt und ihn bittet in einem Streitfall zu ihren Gunsten zu entscheiden. Daraufhin wurden die folgenden Verse offenbart:

Koran Sure 5, 42-47: Sie hören auf Lügen, und sie verzehren unrechtmäßig erworbenes Gut. Wenn sie zu dir kommen, so urteile zwischen ihnen oder wende dich von ihnen ab. Wenn du dich von ihnen abwendest, werden sie dir nichts schaden; wenn du urteilst, dann urteile zwischen ihnen nach Gerechtigkeit. Gott liebt die, die gerecht handeln.

43 Wie können sie dich zum Schiedsrichter machen, wo sie doch die Tora besitzen, in der das Urteil Gottes enthalten ist, und sich hierauf nach alledem abkehren? Diese sind keine (richtigen) Gläubigen.

44 Wir haben die Tora hinabgesandt, in der Rechtleitung und Licht enthalten sind, damit die Propheten, die gottergeben waren, für die die Juden sind, (danach) urteilen, und so auch die Rabbiner und die Gelehrten, aufgrund dessen, was ihnen vom Buche Gottes anvertraut wurde und worüber sie Zeugen waren. So fürchtet nicht die Menschen, sondern fürchtet Mich. Und verkauft nicht meine Zeichen für einen geringen Preis. Diejenigen, die nicht nach dem urteilen, was Gott herabgesandt hat, das sind die Ungläubigen.

45 Und Wir haben ihnen darin vorgeschrieben: Leben um Leben, Auge um Auge, Nase um Nase, Ohr um Ohr, Zahn um Zahn; und auch für die Verwundung gilt die Wiedervergeltung. Wer aber dieses vergibt, für den ist es besser. Diejenigen, die nicht nach dem urteilen, was Gott herabgesandt hat, das sind die Tyrannen (die Unrecht Tuenden).

46 Und Wir ließen nach ihnen Jesus, den Sohn Marias, folgen, damit er bestätige, was von der Thora vorhanden war. Und wir ließen ihm das Evangelium zukommen, das Rechtleitung und Licht enthält und das bestätigt, was von der Thora vor ihm vorhanden war, und als Rechtleitung und Ermahnung für die Gottesfürchtigen.

47 Die Leute des Evangeliums sollen nach dem urteilen, was Gott darin herabgesandt hat. Und diejenigen, die nicht nach dem urteilen, was Gott herabgesandt hat, das sind die vom rechten Weg Abgekommenen (Frevler).

[3] Fahruddin Razi, Tefsiri Kebir 9.86

Ikrime, Sohn des Ebu Dschehil, kämpfte viele Jahre gegen Muhammed und gegen den Islam, später aber bekannte er sich und errang Ansehen und große Verdienste im Islam. Er zählt zu den Sahabin.  

[4] siehe z.B. S. 1955, Münazarat, Risale-i Nur Külliyatı 2, 

[5]Die Bedeutung des Korans, Band 1, Sure Al-Ma’ida 44, SKD Bavaria Verlag, München

[6] für mehr siehe: Islam und Aufklärung, Politikum Islam - Urteilen oder anerkennen? ...

[7] Bediüzzaman Said Nursi, 1911, Münazarat (Diskussionen-Wortwechsel), Risale-i Nur Külliyatı 2, S. 1944

[8] eine koranische Bezeichnung für Juden und Christen.

 

       
 
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