Religionsgemeinschaft des Islam
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Aus: DIE ZEIT 14/2003  Kommentar

Die Zeit für Rechthaberei ist vorbei

Auch wer den amerikanisch-britischen Kriegskurs ablehnt, muss unter den gegebenen Umständen der westlichen Koalition den schnellen Sieg wünschen. Die Alternative wäre ein Triumph der totalitären Ideologien und eine Katastrophe für die gesamte westliche Welt

 von Richard Herzinger 

Der Irak-Krieg wird gegen die große Mehrheit der Weltöffentlichkeit geführt. Entsprechend niedrig ist die Toleranzschwelle für Fehlschüsse und Fehlentwicklungen der amerikanisch-britischen Kriegsstrategie, die das Leiden im Kriegsgebiet verschlimmern und verlängern. Darauf spekuliert die irakische Diktatur. Je länger der Krieg dauert - und als "lange" müssen unter diesen Umständen schon zwei Wochen gelten - und je mehr Opfer folgerichtig zu beklagen (und im Fernsehen zu sehen) sind, desto mehr wachsen die Chancen für das Saddam-Hussein-Regime, auch diesen Ansturm zu überleben.

Das wirft grundsätzliche Fragen über die Fähigkeit des Westens auf, in Zukunft überhaupt noch Kriege zu führen. Die "Echtzeit"-Präsenz der Medien legt die Grausamkeit jeder Kriegsführung unmittelbar offen und entmystifiziert die Vorstellung vom "sauberen" High-Tech-Krieg. Dieser Mythos aber war die letzte Variante, mit der den auf friedlichen Ausgleich eingestellten, offenen westlichen Gesellschaften die Legitimität kriegerischer Einsätze überhaupt noch plausibel gemacht werden konnte. Nach dem Irak-Krieg wird es selbst den Amerikanern schwer fallen, ihre eigene Bevölkerung noch einmal auf einen solchen blutigen Kraftakt einzuschwören. Das könnte man getrost als Zivilisationsfortschritt begrüßen. Wenn da nicht die Tatsache wäre, dass zahlreiche Regime und terroristische Bewegungen auf der ganzen Welt an diesem Zivilisationsfortschritt weder teilhaben noch teilhaben wollen.

Gemäß ihrer riesigen waffentechnologischen Überlegenheit könnten die USA ein Land wie den Irak binnen kürzester Zeit zur Aufgabe zwingen. Doch für eine westliche Demokratie, selbst wenn - oder gerade weil - sie so übermächtig ist wie die Vereinigten Staaten, verbietet es sich, ihre gesamte Vernichtungsgewalt einzusetzen. Die USA müssen darauf achten, das Ausmaß ziviler Opfer und Schäden so weit wie möglich zu begrenzen. Sonst würde nicht nur der Protest der westlichen - und am Ende auch der amerikanischen - Öffentlichkeit über den Köpfen der US-Administration zusammenschlagen. Die USA würde damit ihre Identität als eine zivilisierte, demokratische Macht verlieren und sich mit den Kräften auf eine Stufe stellen, die sie bekämpft.

Das Regime in Bagdad hat dies selbstverständlich genau begriffen und setzt alles daran, die Unterscheidungsmöglichkeit zwischen militärischen und zivilen Zielen systematisch auszulöschen. Seine Hauptwaffe sind die Berichte und Bilder verletzter und getöteter Zivilisten, die das Gewissen der westlichen Fernsehzuschauer aufwühlen. Das Regime hat nicht nur keinerlei moralische Skrupel, zivile Tote in Kauf zu nehmen, es ist sogar an einer möglichst hohen Opferzahl interessiert. Es bringt deshalb seine Truppen und militärischen Einrichtungen bewusst inmitten ziviler Gebiete in Stellung und lässt seine SS-ähnlichen Sonderkommandos mit Gewalt dafür sorgen, dass die Bevölkerung den Kriegsschauplatz nicht verlassen kann. (Unter diesen Umständen ist es schon seltsam, wenn sich deutsche Kommentatoren täglich darüber wundern, dass es keine Aufstände gegen das Baath-Regime gibt). Es führt zudem die Angreifer, vor allem aber die westliche Medienöffentlichkeit gezielt in die Irre, indem sie Kämpfer in Zivilkleidung steckt und so Bilder gefallener oder verwundeter Krieger aus ihren Killer-Spezialkommandos als unschuldige Opfer ausgeben kann. Und die westliche, jedenfalls die europäische Öffentlichkeit, ist dafür anfällig, auf diese erpresserische Logik hereinzufallen. Denn sie ist ganz auf die Einlösung ihrer Prophezeiung eingeschworen, der Krieg werde unter den irakischen Zivilisten einen beispiellosen Blutzoll kosten. Man ist nur allzu geneigt, Angaben über hohe Opferzahlen Glauben zu schenken, weil man damit seine eigene moralische Haltung - "Krieg kann nie eine Lösung sein und trifft immer nur Unschuldige" - bestätigt sieht. Man schaut deshalb nicht mehr so genau hin, wer da aus welchem Grund ums Leben gekommen ist - alle sind schließlich Opfer des großen Erzübels Krieg.

Besonders beunruhigend ist aber, dass hierzulande so Wenige die zynische Taktik eines totalitären Regimes durchschauen - oder durchschauen wollen. Der berechtigte Abscheu vor dem Krieg und dem Leiden, der unbeteiligten Menschen damit zugefügt wird, wird fast ausschließlich den Amerikanern und ihren Alliierten aufs Schuldenkonto geschrieben. 83% der deutschen Bevölkerung lehnt laut der jüngsten Umfrage den Krieg inzwischen ab, Tendenz offenbar steigend. Sicher: eine westliche Demokratie muss sich an den hohen moralischen Ansprüchen messen lassen, die sie selbst propagiert. Aber darüber darf der fundamentale Unterschied zwischen einer Demokratie, die in manchen Fällen gegen ihre eigenen moralischen Prinzipien verstößt, und einem totalitären System, das der humanistischen Moral an sich den Vernichtungskrieg erklärt hat, nicht verwischt werden. Genau dies scheint aber in Europa, mit der verblassenden Erinnerung an die eigene totalitäre Vergangenheit, zunehmend zu geschehen. Alle die Deutschen, die jetzt vor den Kameras betonen, dass sie wegen der Erinnerung an den Krieg im eigenen Lande mit den Menschen im Irak mitfühlen könnten, sollten auch einmal wieder ihre Erinnerung an den Horror des NS-Regime hervorkramen, das nur durch Krieg besiegt werden konnte.

Bei vielen Kriegsgegnern spürt man eine klammheimliche (oder gar nicht so heimliche) Hoffnung, die Amerikaner sollten im Irak, wenn nicht eine Niederlage erleiden, so doch zumindest eine blutige Lehre erteilt bekommen. Der Masochismus, der hinter solchen unfrommen Wünschen steckt, ist schwer zu begreifen. Macht sich irgendjemand klar, was es für den Westen und damit für unser aller Freiheit und Sicherheit bedeuten würde, wenn ein Monsterregime wie das Saddam Husseins den konzentrierten Angriff der westlichen Führungsmacht überstehen würde? Dann nämlich würden solche Systeme zu der Überzeugung gelangen, dass die "dekadente" westliche Welt wehrlos sei und man ihre gewaltige Überlegenheit nicht mehr fürchten müsse. Auch wenn man den Krieg als Mittel des Sturzes Saddam Husseins ablehnt, auch wenn man zu Recht den bündnispolitischen Autismus der US-Administration und die offensichtlich mangelhafte, weil überhebliche Vorbereitung des Krieges kritisiert; selbst wenn man an der völkerrechtlichen Legitimation des Feldzugs zweifelt (diese Zweifel gab es auch im Kosovo-Krieg!), kann man sich bei klarem Verstand nichts anderes wünschen als einen möglichst schnellen und reibungslosen Sieg der US-geführten Koalition.

Deshalb ist Verteidigungsminister Peter Struck zu loben, der dies am Donnerstagabend in einer Diskussion im ZDF - auf ausdrückliche Nachfrage - endlich klar und deutlich aussprach. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung auch offiziell dem überschwappenden antiamerikanischen Grundgefühl in der Republik entgegentritt und die Maßstäbe wieder zurechtrückt: Gerade weil es im Irak wesentlich schwieriger zu laufen scheint als sich dies mancher neokonservative Hurra-Utopist in der US-Administration vorgestellt haben mag; gerade wenn der Krieg lange und schwierig werden sollte, wächst der Druck auf die "unwilligen" europäischen Regierungen, und das heißt vor allem Deutschland und Frankreich den Amerikanern und Briten, wenn nicht materiell, so doch zumindest politisch-moralisch entschieden zu Hilfe zu kommen. Die Zeit für schmollendes, rechthaberisches Beiseitestehen ist vorbei.   

 
 
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