Praxishandbuch Einleitung 1
Erzieherinnen vor neuen Aufgaben
-- Der Weg zum Praxishandbuch --
Dialog soll zu einem besseren
Verstehen und Verständnis muslimischer Kinder und deren Eltern beitragen
Ausgangssituation:
In Stuttgart leben ca. 5000 Kinder bis 7 Jahre mit islamischer
Religionsangehörigkeit, wovon die meisten Kinder städtische oder kirchliche
Einrichtungen besuchen. Sie müssen sich in zwei Kulturen zurechtfinden. Das stellt auch
die ErzieherInnen oft vor neue Aufgaben. Für die muslimischen Eltern ist die Situation
ebenfalls nicht einfach. Wenn sie ihr Kind im Kindergarten anmelden, stehen sie oft genug
im Erklärungszwang und alleine da.
Neben dem, dass sie
wünschen ihre Kinder lernen im Kindergarten Deutsch um vorbereitet für die
Schule zu sein, wünschen sie sich auch, dass die Religion und Kultur
der Kinder im Kindergartenalltag mehr Berücksichtigung findet, z.B. bei muslimischen
Feiertagen. Unsere Arbeit und unser Dialog hat hier angesetzt. Es soll zu einem besseren
Verstehen und Verständnis muslimischer Kinder und deren Eltern beigetragen und über das
miteinander Arbeiten und Nachdenken ein Klima des gegenseitigen Vertrauens und der
Akzeptanz geschaffen werden.
Im Fachgesprächskreis Konzentration auf
Fortbildungen
Wie die Idee des Praxishandbuches entstand:
Als Folgeprojekt einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung
Gemeinsam in die Zukunft - Dialogveranstaltung über Integrationsprobleme
muslimischer Kinder und Jugendliche in Stuttgart, initiierte der
Ausländerbeauftragte der Stadt Stuttgart einen runden Tisch von Fachleuten. Mit dabei
saßen im August 1994 VertreterInnen von islamischen Vereinen, VertreterInnen der
Fachberatungen für die katholischen Kindertagestätten beim Caritasverband, des
Evangelischen Stadtverbandes und des Jugendamtes der Stadt Stuttgart. Mit Engagement
suchten die GesprächsteilnehmerInnen den Dialog, um sich und das jeweilige Verständnis
von Gesellschaft, Glaube und Erziehung kennen und verstehen zu lernen. Es galt einen
gemeinsamen Weg zu finden, auf dem muslimischer und christlicher Glaube im Kindergarten
gelebt werden kann. Dabei wollte man sich auf ein konkretes Projekt konzentrieren. So
entstand die Idee, eine Fortbildung für ErzieherInnen mit muslimischen Eltern zu
organisieren. Die Gespräche verliefen nicht immer einfach und harmonisch. Dass aber das
Gespräch, der Austausch und die Fortbildung notwendig sind und ein immens großer
Aufklärungsbedarf besteht, hat dann nicht zuletzt der breite Zuspruch der Fortbildungen
gezeigt, die jeweils zweitägig im Oktober 1995 und 1996 stattfanden. Über Referate
erhielten die ErzieherInnen einen Einblick in die Grundlagen des Islam im Allgemeinen und
im Speziellen über das Alevitentum. Des weiteren erhielten sie einen Überblick über
Frau, Mann und Familie im Islam sowie über Werte, Traditionen und
das Familienbild in der Türkei. Mit Blick auf das Leben in Deutschland war dies
die Basis für die anschließende Arbeit in Kleingruppen.
Hier wurde nach gemeinsamen Antworten auf Fragen gesucht, wie Feste zusammen
gefeiert werden können, das Aufnahmegespräch und wie die
Zusammenarbeit mit Eltern gestaltet werden kann. Bei der Arbeitsgruppe
Aufnahmegespräch - der erste Kontakt bei der Anmeldung - sollte ein Leitfaden
zum Thema: Wie gestalte ich das Aufnahmegespräch erarbeitet werden, der
einerseits die Einrichtung, die Arbeit und die Aufgaben der ErzieherInnen für die Eltern
durchsichtig macht, und andererseits auf die Eltern mit ihren Wünschen eingeht. In der
Arbeitsgruppe Feste gemeinsam feiern ging es um die Frage, wie bei Festen im
Jahreskreis die religiösen Überzeugungen der muslimischen Familien berücksichtigt und
wie religiöse Feste des Islam in den Tageseinrichtungen für Kinder aufgegriffen werden
können. Zur annehmen, sehr produktiven Austausch und der offenen Atmosphäre hat
sicherlich auch beigetragen, dass die Fortbildungen in den Räumlichkeiten der islamischen
Vereine stattfanden.
Die Arbeitsergebnisse der
Fortbildungen wurden dokumentiert
Als Ergebnis des Seminars hat sich
überdeutlich gezeigt, dass der Wunsch am Thema weiter zu arbeiten da ist und weitere
Vertiefungen notwendig sind, sowohl im Rahmen des Fachgesprächskreises als auch an der
Basis. Deshalb wurde ein Arbeitskreis für Erzieherinnen und Eltern installiert, um sich
weiter über Probleme und Situationen aus dem Kindergarten- und Familienalltag austauschen
zu können. Die beiden Dokumentationen der Arbeitsergebnisse aus den Fortbildungen wurden
von allen Seiten als sehr hilfreich empfunden. Doch insbesondere im Arbeitskreis mit den
Erzieherinnen und den muslimischen Eltern entstanden Überlegungen, die geführten
Gespräche und Themen sowie all das bis jetzt erarbeitete in einer Handreichung für die
Praxis zu sammeln und aufzubereiten. Die Idee für ein Praxishandbuch war geboren. Diese
Aufgabe hat der Arbeitskreis übernommen. Für die fachliche Begleitung sollte der
Fachgesprächskreis weiter zur Verfügung stehen. Die Finanzierung des Ganzen war eine
Hürde, die wir letztendlich doch genommen haben.
Allen Beteiligten sei gedankt, dass wir
Ihnen nun die ersten Resultate vorstellen können
Im Rahmen des Projekts Partizipation/Staatsbürgerliche Kultur... der
Referatsabteilung Ausländerbeauftragter der Landeshauptstadt Stuttgart fand unser
Praxishandbuch für die finanzielle Förderung seinen Platz. Aber ohne das ehrenamtliche
Engagement der muslimischen Eltern und der ErzieherInnen hätte es nicht geleistet werden
können. Allen Beteiligten sei gedankt, dass wir Ihnen nun die ersten Resultate vorstellen
können.
Cäcilia Demir-Schmitt
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Praxishandbuch Einleitung 2
Wie die Idee realisiert wurde
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Der Weg zum Praxishandbuch --
Ergebnis kein fertiges Werk - Hohes
Engagement aller Beteiligten
An der Erarbeitung des Praxishandbuches waren ErzieherInnen aus
Stuttgarter Kindertageseinrichtungen des Jugendamtes der Stadt Stuttgart, von katholischen
Kirchengemeinden und des Evangelischen Stadtverbandes sowie muslimische Eltern beteiligt.
Der zeitliche Rahmen war durch die Vorgabe: Sechs moderierte Termine und Fertigstellung im
Dezember 1997 vorgegeben. Man war sich darüber im Klaren, dass das Ergebnis kein fertiges
Werk sein konnte. Deshalb konnte das Praxishandbuch nur in Teilen fertiggestellt werden,
die später noch ergänzt und erweitert werden müssen.
Methode:
Um den vielfältigen Ideen, Wünschen und Erwartungen gerecht zu
werden und um allen Gruppierungen Raum zu geben, wurde von der Moderatorin die
Projektmethode (siehe Karl Frey, Literaturverzeichnis) gewählt. Sie fördert die
Zusammenarbeit, die Rücksichtnahme und das gemeinsame Schaffen. Zudem orientiert sie sich
an vorhandenem Wissen, Neigungen, Interessen und Erfahrungen der TeilnehmerInnen.
Entscheidend bei dieser Methode ist, dass sich die TeilnehmerInnen ein Thema vornehmen,
Bereiche ausarbeiten, sich darüber verständigen und ein vorzeigbares Produkt entstehen
lassen. Als Regeln für das Zusammenarbeiten wurden die TZI-Regeln von Ruth Cohn (siehe
Literaturverzeichnis) vorgestellt und von allen akzeptiert.
Jedes Treffen begann im Plenum und endete im Plenum mit dem Vorstellen des bisher
erarbeiteten Materials aus den Arbeitsgruppen. Zudem wurde ein Protokoll erstellt und
verschickt. Beim ersten Treffen wurden Themen in Kleingruppen gesammelt. Jede Gruppe
schrieb auf Karteikarten ihre Wünsche oder Ideen, was sie im Praxishandbuch für
notwendig halten. Die Karten wurden anschließend im Plenum nach Bereichen geordnet. Über
ein Bewerten mit Klebepunkten wurde eine Prioritätenliste erstellt.
Die Bereiche Religion und Brauchtum, Zusammenarbeit mit Eltern,
Deutsche Sprache den Kindern näher bringen und Feste im
Kindergarten erhielten die meisten Stimmen. Der Bereich Sprache wurde
herausgenommen, da sich bereits ein Projekt im Jugendamt mit Sprachentwicklung/-förderung
beschäftigt. Diese Ergebnisse sollen dann später für das Praxishandbuch aufgearbeitet
und aufgenommen werden. Schließlich ordneten sich die ErzieherInnen und muslimischen
Eltern Arbeitsgruppen zu, sichteten vorhandenes Material, gliederten es und begannen sich
mit der Frage zu beschäftigen: Was wollen Erzieherinnen und muslimische Eltern
voneinander wissen? Diese Fragen wurden zunächst gesammelt. Danach entschied jede
Arbeitsgruppe welche Fragen sie vorrangig bearbeiten möchte.
Das Handbuch wurde an 6 Nachmittagen á 2,5 Std. Mit ca. 20 Personen erarbeitet. Ein
siebter Termin wurde notwendig, um Korrektur zu lesen. An den Treffen nahmen jeweils 10-15
Personen in wechselnder Besetzung teil. Gearbeitet wurde in Kleingruppen mit zwei bis
fünf TeilnehmerInnen, wobei darauf geachtet wurde, dass sich in jeder Kleingruppe
ErzieherInnen und muslimische Eltern befinden.
Gerade für die ErzieherInnen war es schwierig, regelmäßig teilzunehmen, weil sie oft
in ihrer Einrichtung bleiben mussten, wenn Kolleginnen ausfielen oder andere AGs
Vorrang hatten. Dies führte in den Teil-Arbeitsgruppen dazu, dass Dinge wiederholt
diskutiert wurden oder neue Ideen integriert werden mussten. Dass dies gelang, lag sicher
an dem hohen Engagement aller Beteiligten, insbesondere der muslimischen Eltern, die durch
ihre regelmäßige Teilnahme die Kontinuität herstellten.
Durch die lebhaften Diskussionen der muslimischen Eltern untereinander erhielten auch
die Erzieherinnen einen Einblick in deren persönlichen Interessen, Werte und religiösen
Haltungen. Insgesamt stand in allen Arbeitsgruppen neben dem Ziel, konkrete Texte zu
erarbeiten, der Austausch untereinander im Vordergrund. Die Frage, was möchte oder muss
eine Erzieherin wissen oder was interessiert sie, war schließlich ein wichtiger
Orientierungspunkt, der die Entscheidung erleichterte was soll, muss und darf ins
Praxishandbuch. Inhaltlich wurde das Praxishandbuch durch den Fachgesprächskreis
begleitet, der sich auch bei Werbung, Kosten und Verteilung engagiert hat.
Fazit
Alle TeilnehmerInnen möchten weitere Themen für das
Praxis-Handbuch erarbeiten und vorhandene Themen ergänzen. Um auch den begonnenen Dialog
auszubauen, ist die Fortsetzung des Arbeitskreises notwendig. Gerade der Austausch mit
MitarbeiterInnen aus kirchlichen und städtischen Einrichtungen sowie mit muslimischen
Eltern, wird als eine große Bereicherung für die Arbeit mit muslimischen Kindern
gesehen.
Christiane Lier
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